>>Mini-Löwenköpfchen und Mini-Satinlöwenköpfchen vom Kaninchenparadies im Emsland<<


   
 
  Myxomathose
TIERE - SEUCHENZUG NACH PLAN

Ein Virus soll Australien von seiner Kaninchenplage befreien. Doch die Methode ist umstritten, die Folgen der biologischen Kriegführung sind ungewiß - von Philip Bethge

Der Tod kam von Süden her übers Meer. 20 Millionen raffte er in nur zwei Monaten dahin.

Calicivirus lautet der Name des Killers. Ist ein Opfer erst infiziert, stockt sein Blut innerhalb von zwei Tagen. Gerinnsel verstopfen Ÿderchen in Lunge, Niere und Herz. Dann versagen die Organe. Blut rinnt aus der Nase, wenig später tritt der Tod ein.

Die Seuche, ausgelöst durch das Calicivirus, wütet derzeit unter Australiens Kaninchen. Gesandt wurde sie nicht von Gott. Der tödliche Erreger stammt aus einem Labor auf der südaustralischen Wardang-Insel. Dort erprobten Forscher, verschanzt hinter doppeltem Sicherheitszaun, das Virus als biologische Wunderwaffe gegen die seit Jahrzehnten in Australien grassierende Kaninchenplage.

Doch Stacheldraht hält Viren nicht auf. Vermutlich im Gepäck einer Buschfliege gelang dem Erreger der Ausbruch, im Oktober 1995 erreichte er das australische Festland. Wenige Wochen später hatte er 95 Prozent der Kaninchen in den nahe gelegenen Bergen den Tod gebracht.

Den Wissenschaftlern blieb nur, die ungeplante Seuche für erwünscht zu erklären und sie nach Kräften zu schüren. Seit dem vergangenen Oktober setzten sie, diesmal planmäßig und offiziell, an 400 weiteren Stellen Australiens das Virus frei. Doch immer mehr gerät der Sinn des Biokrieges, den die Forscher gegen die Kaninchen austragen, in Zweifel: Die Erfolge der Attacke gegen die lästigen Karnickel bleiben hinter den Erwartungen zurück. Zudem erklären manche Virologen den Ausgang des Freilandexperiments für "unkontrollierbar und unvorhersagbar".

Weder ist genau geklärt, wie das Virus entstanden ist und wie es übertragen wird, noch ob es in der Lage ist, auch andere Tierarten oder gar den Menschen zu befallen. "Die ganze Idee, das Virus gegen die Kaninchen einzusetzen, war von Anfang an ein Fehler", kritisiert David Matson, Virologe von der Eastern Virginia Medical School: "Schlecht ausgedacht, schlecht geplant, schlecht durchgeführt."

Schon die erste Schlacht hatten die Biologen verloren: 1950 hatten sie ihren Kampf gegen das Europäische Wildkaninchen Oryctolagus cuniculus, das 1859 nach Australien eingeschleppt worden war, eröffnet. Das Myxomatose-Virus wurde importiert und raffte innerhalb von zwei Jahren mehr als 90 Prozent der australischen Hasentiere dahin.

Doch die Wirkung des Programms verpuffte. Mittlerweile sind mehr als 50 Prozent der Kaninchen resistent gegen die Seuche. Schon tummeln sich wieder rund 300 Millionen Tiere auf dem fünften Kontinent und verursachen landwirtschaftliche Schäden von etwa 780 Millionen Mark im Jahr. Die Langohren buddeln sich in den Boden, verletzen die Wurzeln von Gräsern und Bäumen und beschleunigen die Erosion. Sie fressen den Farmern das Getreide und dem Vieh das Futter weg. Sie entrinden Bäume, mümmeln seltenes einheimisches Grün und stören die sensible australische Tierwelt.

Ökologen und Bauern gleichermaßen erschien deshalb das neue Virus zunächst als Segen. Tatsächlich ist seine Wirkung in den trockenen Gebieten Australiens unübersehbar. Zum erstenmal seit 20 Jahren sprießen auf den Sanddünen der Simpsonwüste in Zentralaustralien wieder harte Igelgräser.

Im Nordterritorium wurde wieder öfter das seltene, knapp mäusegroße Rides Ningaui gesichtet. Die Zahl der Westlichen Grauen Riesenkänguruhs hat sich in einigen Naturschutzgebieten nach dem Massentod der Kaninchen versechsfacht. Auch stark gefährdete Arten wie der Kaninchennasenbeutler - in ganz Australien leben nur noch knapp 1000 Exemplare - könnten sich, so die Hoffnung, wieder von der Schwemme der überlegenen Konkurrenten aus Europa erholen.

"Die Auswirkungen des Virus sind teilweise dramatisch", sagt Tony Robinson, Virologe der Division of Wildlife and Ecology der australischen Forschungsorganisation CSIRO (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation). Und Landwirtschaftsminister John Anderson sprach noch im November von der "signifikant erhöhten Chance", Millionen von Hektar Land langfristig kaninchenfrei zu machen.

Doch der neueste Bericht des Bureau of Resource Sciences in Canberra, das den Seuchenzug des Virus in Australien überwacht, liest sich anders. Zwar hat es sich mittlerweile in allen australischen Bundesstaaten und Territorien ausgebreitet. Die Zahl der Kaninchen jedoch hat sich in etwa der Hälfte der untersuchten Gebiete kaum verringert. Besonders in den feuchteren Küstenregionen blieb das Massensterben bislang aus.

"Der Mechanismus der Übertragung ist immer noch unklar", klagt Richard Bellamy, Direktor der School of Biological Sciences im neuseeländischen Auckland. "Schon die Tatsache, daß das Virus von der Wardang-Insel entkommen ist, zeigt doch, wie wenig darüber bekannt ist."

Vögel, Füchse, verwilderte Katzen und die verschiedensten Arten von Fliegen und Mücken wurden bereits als Überträger diskutiert. Mal ist es die Temperatur, dann die Regenmenge, die die unterschiedliche Wirksamkeit des Erregers erklären soll. "Vielleicht liegt es auch an der Freisetzungstechnik, die wir verwenden", spekuliert Mary Bomford, Expertin des Bureau of Resource Sciences. Wurden bisher künstlich infizierte Tiere freigelassen, um das Virus zu verbreiten, sollen im kommenden Frühjahr mit dem Erreger kontaminierte Köder ausgelegt werden. Minister Anderson, "etwas enttäuscht" von der bisherigen Entwicklung, hat inzwischen eine neue "Herbstoffensive" angekündigt.

Weltweit trifft solcherlei Aktionismus zunehmend auf Unverständnis. Noch weiß niemand, ob eingeschleppte Räuber wie Katzen oder Füchse statt Kaninchen jetzt seltenen Beuteltieren nachstellen werden. Auch die heimischen Greifvögel, beispielsweise der Keilschwanzadler, haben sich weitgehend auf die Einwanderer umgestellt: Sie sind mittlerweile abhängig vom Kaninchenfleisch, könnten also den Massentod ihres Hauptbeutetiers als verhängnisvoll erleben.

Die größten Sorgen macht den Experten jedoch das Calicivirus. "Wirtswechsel" und "Artensprung" sind die Schreckbegriffe der Biologen. Zwar ist das Kaninchenvirus in mehr als 40 Ländern der Erde verbreitet. Auf die Idee, es vorsätzlich freizusetzen, ist vor den Australiern jedoch noch niemand gekommen. "Wir haben es hier mit einem riesigen Experiment zu tun, das neue Viren mit neuen Eigenschaften hervorbringen könnte", so der spanische Virologe Francisco Parra. Inzwischen millionenfach multipliziert, verändere sich das Virus ständig. "Wir haben keine Ahnung, ob nicht schon andere Tierarten angesteckt worden sind."

Noch deutlicher wird US-Veterinär Alvin Smith von der Oregon State University, der seit 1971 an einem mit dem Kaninchenkiller verwandten Virus forscht. "Vier der fünf bekannten Calicivirus-Gruppen verursachen Krankheiten beim Menschen", so Smith im Wissenschaftsmagazin SCIENCE. Ein breites Spektrum verschiedener Wirte sei ein "herausragendes Merkmal" der Caliciviren-Familie. "Das plötzliche Auftauchen und die Gefährlichkeit des Virus zeigen, daß es fast sicher nicht im Kaninchen entstanden ist", so der Forscher.

Rückendeckung bekommt Smith von David Matson aus Virginia. "So wie ich die Daten lese, hat das Virus bereits einen Wirtswechsel hinter sich - und zwar zum Kaninchen", sagt er. Noch immer ist unklar, woher der - von Forschern erstmals 1984 in China isolierte - Erreger ursprünglich kommt. Während Smith und Matson argwöhnen, daß er von einem noch unbekannten Urwirt auf das Kaninchen übergesprungen ist, glauben die australischen Forscher, das aggressive Virus sei aus einer harmlosen Form hervorgegangen, die erst kürzlich im Darm eines italienischen Farmkaninchens entdeckt wurde.

Zudem verweisen die Australier auf umfangreiche Tests zur Gefährlichkeit des Kaninchenkillers. Insgesamt 33 Tierarten, vom australischen Kurzschnabeligel über den Koala bis zum ordinären Rind, traktierten Forscher des Australian Animal Health Laboratory im südaustralischen Geelong mit dem Erreger - lange vor den mißglückten Experimenten auf der Wardang-Insel. Vier Exemplare jeder Art bekamen das 1000fache jener Virendosis gespritzt, die normalerweise 50 Prozent der Kaninchen tötet. In keinem der Versuchstiere, erklärt Niall Byrne, Sprecher des Instituts, habe sich eine Virusvermehrung nachweisen lassen. "Wir haben dem Virus im Labor jede Möglichkeit gegeben, auf andere Tiere überzuwechseln. Gesprungen ist es trotzdem nicht."

"Das Risiko für andere Arten ist ungefähr so groß wie die Chance, von einem Meteoriten getroffen zu werden", versichert auch CSIRO-Forscher Tony Robinson. Schließlich sei das Kaninchen-Calicivirus in Europa schon seit Jahren verbreitet. In Italien allein habe es kurz nach seiner Entdeckung 64 Millionen Farmkaninchen infiziert und getötet. "Wir sind umgeben von Caliciviren", beteuert der Virologe. "Katzen haben spezifische Caliciviren. Menschen haben andere. Das Kaninchenvirus ist absolut sicher."

Smith und Matson halten dem entgegen, daß die in den Tests verabreichte Virendosen zu niedrig gewählt, die Ergebnisse falsch interpretiert wurden. "Die ganzen Tests waren so aufgebaut, daß nichts Negatives gefunden werden konnte", so Matson. Ein Fuchs, der auch nur ein einziges infiziertes Kaninchen fresse, nehme die vielfache Menge der in den Versuchen gespritzten Virendosis auf.

Zudem hätten einige der Testtiere, unter ihnen der neuseeländische Kiwivogel, Antikörper gegen den Erreger entwickelt - ein Zeichen für eine Abwehrreaktion des Körpers. Der Forscher will nicht einmal ausschließen, daß das Kaninchen-Calicivirus längst auf den Menschen übergesprungen ist und dort harmlose Krankheiten, beispielsweise Durchfall, auslöst. "Wirklich untersucht hat das bisher niemand."

Unbeeindruckt von derlei Zweifeln, erweitern die Australier bereits das Arsenal ihrer Biowaffen. Erst kürzlich gelang es Wissenschaftlern in Canberra, bei Labormäusen mit Hilfe eines manipulierten Virus Schwangerschaften zu verhindern. Außerhalb Australiens jedoch zeigt der Wissenschaftlerstreit erste Wirkung.

So mehren sich in Neuseeland die Stimmen, die sich gegen die für 1998 geplante Einführung des Kaninchenkillers auch auf dem Kiwi-Archipel aussprechen. "Die Folgen für Neuseeland könnten katastrophal sein", warnt die New Zealand Association of Scientists. Auch das neuseeländische Gesundheitsministerium hat sich inzwischen gegen den Virenimport ausgesprochen.

"Wir sollten warten, bis neue Ergebnisse aus Australien vorliegen", empfiehlt Virologe Richard Bellamy aus Auckland. "Wir haben die wunderbare Gelegenheit, bei einem riesigen Experiment zuzusehen, und die sollten wir nutzen."

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Nochmal kurz zusammengefasst:

Myxomatose

Ursache:
- Pockenvirus
- Erreger ist hitzelabil- wird bei Temp. über 60°C inaktiviert
- bei besten Voraussetzungen bis zu einem halben jahr infektiös (kühle, feuchte Stelle)


Übertragung:

- stechende und blutsaugende Insekten, v.a. Mücken
- tritt meist im Frühjahr/Sommer auf
- direkt von Kaninchen zu Kaninchen
- indirekt durch Menschen, Vögel, Gegenstände
- über Futter


Symptome:

- 4 bis 10 Tage nach Infektion Rötung und Entzündung der Lidbindehäute
- diffuse Anschwellungen im Kopfbereich, v.a. um Augen, Ohren, Genitalbereich
- knotige Wucherungen im R+ckenbereich und an den Beinen
- leichtes bis mäßiges Fieber (unter 41°C)
- Sekundärbesiedlung der gewebsknoten mit eiterbildenden Bakterien
- Atem- und Schluckbeschwerden
- Abmagerung und Entkräftung führen innerhalb von 8 bis 14 Tagen oftmals zum Tod
bei leichterer Infektion (durch Impfung, abgeschwächtes Virus):
- trockene und kleiner Knötchen
- relativ schnelle Erholung, aber diese Tiere können zeitlebens virusinfiziert sein und somit nicht geschützte Tiere anstecken

Impfung:

in Gebieten mit geringem Infektionsdruck:
- Erstimpfung im Alter von 6-10 Wochen
- halbjährliche Wiederholungsimpfung
in Gebieten mit hohem Infektionsdruck:
- Impfung aller Kaninchen, die älter als 4 Wochen sind
- 1. Nachimpfung nach 3-4 Wochen
- Wiederholungsimpfung alle 5-6 Monate


 
 
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